Antisemitismus
WTF?

Das ist doch Wucher?!

Das ist doch Wucher?!

Wucher zu treiben bedeutet, beim Verleihen von Geld oder dem Verkauf von Waren einen unverhältnismäßig hohen Gewinn zu erzielen, indem man die ungünstige Verhandlungsposition Anderer ausnutzt. Es gilt als gierig oder betrügerisch und nur auf das Füllen des eigenen Geldbeutels bedacht.

Wo kommt es her, wann ist es entstanden und warum?

Im Europa des Mittelalters wurden Jüdinnen_Juden von vielen Berufen ausgeschlossen. Die christliche Gesetzgebung verbot ihnen den Landbesitz und durch den Ausschluss aus Handwerkszünften und Kaufmannsgilden wurden sie in wenig geachtete Tätigkeiten gedrängt. Aufgrund des kirchlichen »Zinsverbots« durften Christ_innen zunächst offiziell keinen Geldhandel betreiben. Das führte dazu, dass der Geldverleih oder das Eintreiben von Steuern und Pachten, oft von Jüdinnen_Juden übernommen wurde. Zu dieser Zeit entstand das Motiv der »Juden als gierige Wucherer«. Die Erzählung vom Gottesmord diente dabei als vermeintlicher Beleg.

Der Großteil der europäischen Jüdinnen_Juden lebte allerdings vom Kleinhandel oder, insbesondere im östlichen Europa, von der Landwirtschaft. Im Gegensatz zur gängigen Vorstellung der »reichen Juden« lebten die meisten in armen Verhältnissen. Trotzdem wurde die Figur des »jüdischen Wucherers« über Jahrhunderte in vielen bekannten Werken dargestellt und dadurch weit verbreitet.

Wie hat es sich weiterentwickelt?

In der Neuzeit wurde es durch verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen immer schwieriger für die breite Bevölkerung, die Gründe für bestehende soziale Ungleichheiten zu verstehen. Auf Grundlage der bestehenden Anschuldigung des Wuchers, wurden Jüdinnen_Juden immer wieder von verschiedensten Seiten zu den Schuldigen für wirtschaftliche Krisen erklärt.

Die Nazis nutzten das Motiv gezielt und machten Jüdinnen_Juden für die Not nach dem Ersten Weltkrieg sowie für die Wirtschaftskrise der 1920er und 1930er Jahre verantwortlich.

Auch in manchen frühen sozialistischen Schriften suchte man die Verantwortung für die Probleme des Kapitalismus bei einer kleinen Gruppe »böswilliger Reicher«, die mal mehr mal weniger offen mit Jüdinnen_Juden in Verbindung gesetzt wurde. Eine solche verkürzte Kapitalismuskritik in der bestimmtePersonen und Gruppen für soziale Missstände im kapitalistischen System verantwortlich gemacht werden, findet man teilweise auch heute noch. Was ist daran antisemitisch?

Die Zuschreibung des Wuchers unterstellt Jüdinnen_Juden, raffgierig zu sein und als »böswillig wirtschaftende Egoist_innen« ihre eigenen Taschen auf Kosten der »ehrlich arbeitenden« Bevölkerung zu füllen. Dabei werden einzelne wirtschaftlich erfolgreiche Personen oder Familien als vermeintliche »Belege« herangezogen. Historisch gab es immer wieder Wellen der Gewalt gegen Jüdinnen_Juden in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Da Jüdinnen_Juden in der Vergangenheit immer wieder mit der »Finanzwelt« verknüpft wurden, funktioniert dieses Motiv heute auch ohne ihre direkte Nennung.

Wer sagt das heute?

Das Motiv ist Grundlage vieler Verschwörungserzählungen. Es hält sich so hartnäckig, dass es sogar in einigen bekannten Rap-Texten auftaucht. Oft wird das Feindbild einer gierigen »Finanzelite« gezeichnet und Schlagwörter wie »Finanzkapital«, »Ostküste« oder »die 1%« verwendet oder einzelne finanzstarke Familien oder Personen wie beispielsweise die Rothschilds werden in den Fokus gerückt. Im Umfeld der sogenannten »Corona-Demos« wird verbreitet, Einzelne wollen sich durch die Pandemie bereichern und Corona sei ein »Geschenk des Himmels für die Finanzelite«.

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