Schweine, Kraken, Ungeziefer. Unterwegs im antisemitischen Tierpark.
Im Antisemitismus haben verschiedene Tiermetaphern – also die Darstellung von Menschen als Tiere – eine besondere Bedeutung. Dazu zählt zum einen die bildliche oder sprachliche Verknüpfung von Jüdinnen_Juden mit Schweinen – wie bei dem Begriff »Judensau«. Zum anderen werden in antisemitischen Erzählungen verschiedene als Ungeziefer oder Krankheitserreger geltende Tiere verwendet. Die Darstellung eines Kraken, der die Welt umschlingt, ist ebenfalls ein weit verbreitetes Motiv.
Wo kommen die Bilder her, wann sind sie entstanden und warum?
Das Bild der »Judensau« hat seinen Ursprung im klassischen Antijudaismus. Das Schwein gilt im Judentum als unrein und die jüdischen Speisegesetze verbieten den Verzehr. Um Jüdinnen_Juden gezielt zu demütigen, wurden sie seit der Entstehung des Christentums mit Schweinen verglichen. Im Zuge der stärkeren Ausgrenzung von Jüdinnen_Juden wurden ab dem 13. Jahrhundert viele Kirchen mit Skulpturen und Bildern der »Judensau« versehen, die an vielen Stellen heute noch erhalten sind.
Die Bezeichnung als »Ungeziefer« oder »Krankheitserreger« wurde schon in verschiedensten Kontexten genutzt, um Verfolgte zu entmenschlichen, Abscheu zu erzeugen und ihre »Bekämpfung« zu rechtfertigen. Jüdinnen_Juden wurden schon früh durch verschiedene Motive als Gefahr dargestellt, sei es als »Brunnenvergifter«, »Wucherer« oder »Kindermörder«. Im 19. Jahrhundert wurden sie vielfach als »wucherndes Ungeziefer« oder »Bazillen« beschrieben.
Der Krake ist ein Tier mit vielen Armen und nur einem Kopf und dient somit der Veranschaulichung einer zentralen Macht, welche die Geschehnisse dieser Welt steuert. Das Motiv ähnelt dem des Strippenziehers. Die seit Anfang des 20. Jahrhunderts verbreiteten, frei erfundenen »Protokolle der Weisen von Zion« beinhalten die Erzählung einer jüdischen Weltmacht und zeigen in manchen Ausgaben einen Kraken als Titelbild.
All diese Tiervergleiche wurden auch von den Nazis genutzt, um die Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen_Juden zu rechtfertigen. Sie sprachen von Juden_Jüdinnen als »Ratten« oder »Parasiten« und die Propaganda-Zeitung »Der Stürmer« veröffentlichte unter anderem die Karikatur eines die Welt umschlingenden Kraken mit Davidstern über dem Kopf.
Was ist daran antisemitisch?
Durch Tiermetaphorik wird Jüdinnen_Juden das Menschsein abgesprochen. Die Metaphern des Ungeziefers, Krankheitserregers und des Kraken verbildlichen die Feindbilder, auf denen Verschwörungserzählungen aufbauen. Aufgrund der jahrhundertelangen Verknüpfung dieser Metaphern mit Jüdinnen_Juden funktionieren sie heute auch ohne deren Darstellung oder Nennung.
Wer sagt das heute?
All diese Tiermetaphern sind auch heute noch oft zu finden. Fallen beispielsweise im Sport Beleidigungen wie »Judensau«, ist das strafbar. Auch Rechte Politiker_innen und Verschwörungsideolog_innen nutzen die bekannten Bilder: Corona-Leugner Attila Hildmann bezeichnet seine Gegner_innen als »Parasiten« und der AFD Politiker Björn Höcke spricht in einer Rede von einer »krakenhaften Machtstruktur«. Auch im Internet und in den Medien sind derartige Darstellungen verbreitet. In einer Karikatur der Süddeutschen Zeitung steckt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als hakennasiger Kraken seine Arme in Laptops und Handys. Das Motiv des Kraken findet sich zudem häufig auf antikapitalistischen Demonstrationen.