»Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen« (Zvi Rex)
Zitat: Zvi Rex
Bei diesem Motiv handelt es sich nicht um konkrete Bilder oder Projektionen, sondern es äußert sich in verschiedenen Ausdrucksweisen wie z.B. der Forderung nach einem »Schlussstrich« oder der Verharmlosung und Relativierung des Nationalsozialismus bzw. des Holocaust. Vielleicht habt auch ihr schon mal Sätze wie: »Jetzt reicht aber auch mit diesem Thema« oder »Es war nicht alles schlecht daran« gehört. In solchen Aussagen werden schuldabwehrende Haltungen deutlich. Das bedeutet, dass die eigene oder familiäre (Mit-)Schuld an den Verbrechen im Nationalsozialismus abgewehrt oder verdrängt wird. So werden die Erinnerung und damit einhergehende Gefühle wie Scham verdrängt. Teilweise stellen Menschen dann sich oder ihre Vorfahren als die »wahren« Opfer des Nationalsozialismus dar. Ein Beispiel für eine Täter-Opfer-Umkehr ist zum Beispiel die Gleichsetzung der Verbrechen im Nationalsozialismus mit der Bombardierung Dresdens.
Wo kommt es her, wann ist es entstanden und warum?
Die Täter-Opfer-Umkehr entstand nach dem Ende der Shoah und somit gerade wegen Auschwitz (und nicht trotz). Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es das Ziel der deutschen nichtjüdischen Bevölkerung, das Geschehene so schnell wie möglich zu vergessen, um sich der kollektiven Schuld und der Scham zu entledigen. Nach 1945 war und ist offener Antisemitismus tabuisiert. Antisemitische Äußerungen werden von der breiten Bevölkerung kaum öffentlich geäußert. Stattdessen wird Antisemitismus, wie in der Umkehr von Täter_innen und Opfern, häufig über Umwege kommuniziert.
Was daran ist antisemitisch?
Dieses Motiv schleicht sich noch Generationen später über Äußerungen und Einstellungen weiter und beeinflusst eine Aggressivität gegenüber Jüdinnen_Juden. Jüdinnen_Juden werden als lebendige Erinnerung an das Thema gesehen und hindern nichtjüdische Deutsche, sich positiv auf Deutschland und die eigene Familiengeschichte berufen zu können. Denn in dieser gab es mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit auch Täter_innen während der NS-Zeit. Durch die Täter-Opfer-Umkehr wird den Opfern die Schuld gegeben. Dies führt auch dazu, dass weitere antisemitische Vorurteile reproduziert werden. So wird zum Beispiel, dass Jüdinnen_Juden unterstellt, die Erinnerung an die Shoah zu missbrauchen, um Geld zu erhalten und Einfluss auf den deutschen Staat ausüben zu können. Zudem schwingt in diesem Motiv eine Angst vor jüdischer Rache mit. Der generelle Schuldvorwurf gegenüber Jüdinnen_Juden ist tief in klassische antisemitischen Motiven verankert, wie zum Beispiel bei der Ritualmordlegende oder dem Mythos der Brunnenvergiftungen im Mittelalter.
Wo taucht das heute auf?
Heute taucht das Motiv in allen Teilen der deutschen Gesellschaft auf und wird in der Schule, im Berufsleben oder beim Einkauf im Supermarkt geäußert. Häufig wird gefordert, »es endlich gut sein zu lassen mit dem Thema« – auch im Schulunterricht. Um die eigene Schuld zu verdecken und sich selbst zu entlasten, wird zudem die Schuld bei den anderen gesucht. Hier wird in dem Kontext dann schnell auf die »Schuld« Israels verwiesen. Die Verharmlosung der Schoa und die Selbstdarstellung als Opfer findet sich aktuell auch auf den Querdenken-Demonstrationen wieder. Hier tragen Anhänger_innen Symbole, die Jüdinnen_Juden während der NS-Zeit als Markierung tragen mussten. Sie wollen damit andeuten, dass sie gerade Opfer eines Systems seien und angeblich genauso grausam behandelt werden wie Jüdinnen_Juden damals. Damit aber wird die Shoah verharmlost, und ihre Opfer werden verhöhnt.