Vorhang auf! Die Welt als Marionettentheater.
Das Strippenzieher-Motiv zeigt eine Person, die eine Marionette an den Fäden hält und jede ihrer Bewegung lenkt. Es gibt auch das Bild einer Person, die wie eine Marionette an Fäden hängt und geführt wird. Eine andere Variante des Motivs zeigt nur den Marionetten-Spieler, der die Welt, eine Regierung oder Menschen führt. Entweder wird jemand dargestellt, der geführt oder manipuliert wird, ein Strippenzieher, der die Fänden fest in der Hand hält.
Die Botschaft: »Strippenzieher« seien in der Lage, andere Menschen, Länder, wirtschaftliche Situationen und Politik zu beeinflussen und in ihrem eigenen Interesse zu steuern. Dahinter steckt auch die Vorstellung einer verschwörerischen Gruppe, die sich zusammengetan hat, um die ganze Welt zu kontrollieren.
Wo kommt es her, wann ist es entstanden und warum?
Das Motiv des »Strippenziehers« basiert auf klassischen antisemitischen Erzählungen von einer »jüdischen Weltmacht«. Große Bekanntheit erlangte diese Verschwörungserzählung einer kleinen einflussreichen Gruppe, die das Weltgeschehen lenkt, am Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Veröffentlichung der ausgedachten »Protokolle der Weisen von Zion«. Moderne antisemitische Einstellungen konnten damit an jahrhundertealte Vorurteile über das Judentum anknüpfen. Auch in der Propaganda des Nationalsozialismus wurde dieses Motiv häufig verwendet.
Was daran ist antisemitisch?
Das Motiv unterstellt, dass Juden und Jüdinnen eine illegitime Macht ausüben würden. In solchen Verschwörungsmythen steckt aber auch dann antisemitisches Potenzial, auch wenn sie sich nicht konkret auf Jüdinnen_Juden beziehen. Denn historisch wurde der Vorwurf, aus mächtiger Position die Strippen zu ziehen, immer wieder gegen Jüdinnen_Juden erhoben. Aus diesen wiederkehrenden Erzählungen entstanden auf die Dauer vereinfachte Erklärungen der Welt und ihrer komplexen Zusammenhänge. Mit dem Strippenzieher-Motiv im Kopf ist alles plötzlich sehr viel einfacher.
Wo tauchen das heute auf?
Das Bild des Strippenziehers findet sich auch heute noch in abgewandelten Codes und Andeutungen in den Motiven Ostküste, Finanzkapital, »reiche Juden« und Weltmacht. In Zusammenhang mit Israel ist manchmal von einer »zionistische Lobby« die Rede.
Auf Demos und im Internet wird das Motiv mit verschiedenen aktuellen Bezügen und Personen gezeigt, z.B. auf Querdenken-Demos und im Rahmen von Corona-Verschwörungserzählungen. So wird beispielsweise behauptet, verantwortlich für Corona seien Politiker_innen wie Angela Merkel und Jens Spahn, die gemeinsam mit einflussreichen Personen wie Bill Gates die Pandemie als Instrument nutzen würden, um die Bevölkerung über eine Zwangsimpfung zu beeinflussen und so ihre eigene Macht zu sichern.
Aber auch bezogen auf Einzelpersonen wie den Milliardär George Soros werden krude Fantasien entwickelt. So verbreitet sich insbesondere in rechtsextremen Kreisen seit einigen Jahren die Verschwörungserzählung, Soros steuere insgeheim internationale Fluchtbewegungen nach Europa, um die europäische Bevölkerung auszutauschen.
Dieses Muster, für Krisen oder angsteinflößende Situationen konkrete »Verursacher_innen« zu benennen – einzelne Personen oder vermeintliche Gruppen – ist ein Grundelement von Verschwörungserzählungen.