»Kindermörder Israel«
Auf vielen Demonstrationen und in Berichterstattungen über Israel kommt es vor, dass der Spruch »Kindermörder Israel« zu hören oder auf Schildern zu lesen ist. In diesem Zusammenhang wird behauptet, dass der israelische Staat gezielt vor allem Kinder aus den palästinensischen Gebieten tötet. Insbesondere im Sommer 2014, als es deutschlandweit zu vielen Pro-Gaza-Demonstrationen kam, war dieser Spruch oft zu hören und zu lesen und ist seitdem ein fester Bestandteil antisemitischer Demos geworden. Auf diesen Demos werden häufig Kinder instrumentalisiert, indem diese blutverschmierte Puppen in den Händen halten. Andere Eltern bringen ihre Babys mit und ziehen ihnen T-Shirts an, auf denen »Israel, töte mich nicht!« steht.
Wo kommt es her, wann ist es entstanden und warum?
Der Spruch »Kindermörder Israel« geht auf eine Jahrhunderte alte Verschwörungserzählung zurück, die fest in der europäischen Gesellschaft verankert ist – die Ritualmordlegende. Diese besagt, dass Jüdinnen_Juden christliche Kinder entführen und töten, um deren Blut zu trinken oder mit dem Blut Matzen, ein ungesäuertes Brot, zu backen. Heute wird Israel unterstellt, mit Absicht das Blut arabischer Kinder zu vergießen.
Was ist daran antisemitisch?
Der Staat Israel wird durch die Behauptung, er würde gezielt Kinder umbringen, delegitimiert. Wer Kinder absichtlich umbringt, hat sein Existenzrecht verloren – das ist die Meinung, die sich hinter diesen Aussagen verbirgt. Hierbei handelt es sich um israelbezogenen Antisemitismus. Die alte antijudaistische Verschwörungserzählung vom Ritualmord durch Jüdinnen_Juden wurde quasi geupdated und Jüdinnen_Juden werden durch den Staat Israel als Akteur ersetzt.
Parallel findet eine Dämonisierung des Staates Israel statt, da dieser als besonders böse und mordlustig dargestellt wird. Dem israelischen Staat wird hier nicht nur unterstellt, spezifisch Kinder töten zu wollen, sondern dies auch jederzeit überall tun zu können. Dass Israel palästinensische Gebiete nicht einfach so angreift und es sich hier um Verteidigungshandlungen handelt, wird nicht erwähnt.
Auch lassen sich diese Parolen dem Antisemitismus nach Auschwitz zuordnen, getreu dem Motto »Israelis sind die neuen Nazis«. Durch diese Haltung werden die Ablehnung des jüdischen Staates und Angriffe auf Jüdinnen_Juden bekräftigt und es findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt.
In den Berichterstattungen über Gaza-Demonstrationen sind antisemitische Inhalte meist nur eine Randerscheinung – keinesfalls stehen sie im Mittelpunkt der Berichte. Teilweise wird die Erzählung von den »kindertötenden Israelis« auch unhinterfragt übernommen. Damit gehen auch hiesige Journalist_innen der Propaganda palästinensischer Terrororganisationen gehörig auf den Leim.
Wer sagt das heute?
Die »Kindermörder Israel«-Aussagen lassen sich vor allem auf pro-palästinensischen Demonstrationen finden. Zum Beispiel auf den jährlichen weltweiten al-Quds-Demonstrationen. Diese wenden sich gegen eine angebliche Besetzung Ost-Jerusalems durch den israelischen Staat sowie dessen Existenz und sind klar antisemitisch.
Mit Bildern von blutenden oder toten palästinensischen Kindern, die palästinensische Terrororganisationen verbreiten und Israel als Schuldigen benennen, wird die Diskussion von einer sachlichen auf eine emotionale Ebene gebracht. Dass der Anblick von blutüberströmten oder toten Kindern Emotionen hervorruft, ist bewusstes Kalkül und wird so auch auf antisemitischen Demonstrationen genutzt. Das entspricht aber einem zu einfachen Gut-und-Böse-Denken. Diese Emotionalisierung führt dazu, dass Diskussionen zu dem Thema fast unmöglich gemacht werden.
Auf den Gaza-Demonstrationen in Deutschland sind es dann wieder häufig Kinder, die zur Instrumentalisierung dieses Themas herhalten müssen. In ihrem Beisein werden Parolen wie »Unsere Kinder wollen leben, aber Israel ist dagegen« oder »Ist die Welt dumm und stumm, Israel bringt Kinder um« gerufen. Oder sie müssen weiße T-Shirts tragen, die mit roter Farbe bemalt werden, um Blut zu symbolisieren. Durch den Einsatz von Kindern auf diesen Demonstrationen wird versucht, die Inhalte der Demonstration in ein gutes Licht zu rücken.
Die extreme Rechte bedient sich ebenfalls dieser Aussagen, um Angriffe und ihren Hass auf Jüdinnen_Juden zu begründen. Insbesondere auf al-Quds-Demonstrationen lassen sich immer wieder – auf den ersten Blick merkwürdige – Allianzen aus Islamist_innen und der extremen Rechten finden, die keinen Hehl um ihren gemeinsamen Feind machen: Israel bzw. Jüdinnen_Juden.
Aber auch unter Linken wird die Erzählung von den kindermordenden Israelis genutzt, um Israel das Existenzrecht abzusprechen. Insbesondere im Rahmen der weltweiten »BlackLivesMatter«-Proteste 2020 waren immer derartige Parolen zu hören. Dabei wurde versucht, eine angebliche Verbindung zwischen den rassistischen Morden durch die Polizei in den USA und dem Tod palästinensischer Kinder durch die israelische Armee herzustellen, die aber völlig an den Haaren herbeigezogen ist.