Antisemitismus
WTF?

Antisemitismus in der Popkultur

Antisemitische Einstellungen und Verschwörungserzählungen sind in Deutschland weit verbreitet. Leider gilt das auch für Musiker_innen, Influencer_innen und Promis – also Leute, die eine Vorbildfunktion einnehmen. Was sie sagen, erreicht schnell viele Leute und hat oft Gewicht, immerhin sind die Personen ja bekannt. Wenn bekannte Personen in Songtexten oder Interviews krude Andeutungen machen, lohnt es oft sich genauer hinzuhören.

Was Haftbefehl, Harry Potter und die Schlümpfe gemeinsam haben…

Häufig bleibt es in Raptexten bei Codes, so etwa, wenn von den Rothschilds gesprochen wird. Der wiederholte Bezug zu einer jüdischen Bankiers-Familie steht gewissermaßen für alle Juden_Jüdinnen. Verknüpft werden die Rothschild-Lines mit Geldgier, Skrupellosigkeit (Azzi Memo) sowie dem Bild der Strippenzieher (Magnis) oder einer übermächtigen Gruppe (Haftbefehl). Andere Rapper greifen die Erzählung auf, eine böse Elite hätte sich gegen die Bevölkerung verschworen und versuche, sie mit allen Mitteln zu unterdrücken. Die Kritik von Ungerechtigkeit und Ausbeutung ist ein Kernstück des Hip-Hops, die antisemitischen Inhalte lassen sich durch dieses Image leicht tarnen. Ein beliebtes Beispiel ist die Idee, es gäbe eine geheime mächtige Gruppe, die durch Flugzeuge Gift in der Luft verteilen lässt. Was man normalerweise als Kondensstreifen bezeichnen würde, wird dann Chemtrails genannt, angebliches Ziel sei die Kontrolle über die Menschen. Haftbefehl, Kollegah und Olexesh übernehmen zumindesten die Begriffe aus der Aluhut-Szene und erwecken damit den Eindruck, es gäbe tatsächlich sogenannte Chemtrails.

Jahrhundertealte antisemitische Verschwörungserzählungen werden mit Verweis auf aktuelle Ereignisse angepasst. So versteckt sich Antisemitismus auch in Texten, die den Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 als Fake bezeichnen (Capital Bra) und die Deutung zulassen, die amerikanische Regierung hätte den Anschlag selbst durchgeführt (AZAD). Es dauert meistens nicht lange, bis die US-Regierung hier als von Juden_Jüdinnen gesteuert bezeichnet wird.

Zu Skandalen kommt es in der Regel aber erst, sobald der Holocaust verharmlost wird (PS Sports »Hurensohnholocaust«) oder abwertende Vergleiche zu Holocaust-Überlebenden gemacht werden (Farid Bang). Auffällig ist jedenfalls, wie viel Rapper sagen bzw. singen können, ohne dass ihre antisemitischen Texte auf großen Widerstand stoßen. Kollegah, einer der bekanntesten deutschen Rapper, phantasiert sich schon seit Jahren eine »Neue Weltordnung« (NWO) herbei. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine Verschwörungstheorie. Er sieht Illuminaten als Strippenzieher verantwortlich für den Krieg auf der Welt und schreibt balladenähnliche Songs, in denen er verschiedenste antisemitische Stereotype aufgreift. Sido gibt lieber Interviews, in denen er die Medien als »unterwandert« beschreibt, auf Ritualmordlegenden anspielt und von einer mächtigen Elite spricht, zu der man nicht durch Geld kommen könnte, sondern nur durch »alteingesessene Clans« wie die Rockefellers.

Sogenannter Truth Rap hat das Verschwörungsdenken sogar zum Hauptthema auserkoren. Bei Kilez More und Shah Reza bleibt kaum eine antisemitische Verschwörungserzählung unerwähnt. Und passend zu den Corona-Demos gibt es von »Die Bandbreite« Rap für Impfgegner_innen. Dabei wird behauptet, die Presse sei gekauft und es würden Leute bewusst geschädigt, um Geld zu verdienen – eine Unterstellung, mit der jüdische Ärzten schon im deutschen Kaiserreich diffamiert wurden.

Selbstverständlich sind antisemitische Texte nicht nur im Deutschrap zu finden, wo sie wegen des Selbstverständnis der Provokation häufiger toleriert werden. Spätestens mit Michael Wendler ist die Einsicht gekommen, dass auch Schlagersänger_innen nicht frei von antisemitischem Verschwörungsglauben sind. Wendler hat in einem Video von einer »angeblichen Coronapandemie« gesprochen und behauptet, dass alle Fernsehsender »gleichgeschaltet« und »politisch gesteuert« seien. Wegen der Verbreitung dieser Verschwörungserzählungen musste er aus der DSDS-Jury austreten.

Allerdings ist er damit nicht der Erste. Xavier Naidoo musste bereits 2020 wegen rassistischer und verschwörungsideologischer Aussagen gehen. Während der Corona-Pandemie teilte er Posts zu Ritualmordlegenden. In seinen früheren Songs singt er von »Baron Tothschild« und Marionettenspielern, die die Gesellschaft lenken würden. Der ehemalige Schlager-Star Christian Anders vertonte sogar viele Inhalte der Protokolle der Weisen von Zion, ein gefälschtes Dokument, in dem ebenfalls die jüdische Weltverschwörung erzählt wird.

Antisemitische Vorstellungen werden aber nicht nur durch einzelne Personen verbreitet, sondern finden sich auch in Filmen und Serien wieder. Das kann ziemlich subtil passieren, wenn Regisseur_innen gängige Stereotype übernehmen. Bei Harry Potter arbeiten geldgierige Wesen mit Hakennasen in der Bank Gringotts, die sich im Verlauf der Filmreihe als hinterhältig erweisen. Der Davidstern auf dem Boden der Eingangshalle der Bank spielt auf das Motiv der Geldjuden ab.

Auch Kinderserien sind nicht immer frei von antisemitischen Erzählungen und Stereotypen. Bei den Schlümpfen trotzt ein reines Männerdorf dem bösen Zauberer mit dem hebräischen Namen Gargamel. Seine Katze Azrael erinnert an den jüdischen Staat Israel. Der einzige weibliche Schlumpf wurde von Gargamel erschaffen um Zwietracht unter den Schlümpfen zu sähen, bis dieser von den männlichen Schlümpfen an traditionelle deutsche Schönheitsideale angepasst wird und gut wird.

Anstatt zu versuchen, die antisemitischen Codes, Erzählungen und Stereotype klein zu reden, sollten sie als das bezeichnet werden was sie sind: antisemitisch.

Beispiele