Antisemitismus
WTF?

Antisemitische Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft

Antisemitische Einstellungen werden über Generationen hinweg durch Vorurteile, Stereotype und Verschwörungserzählungen weitergegeben. Doch wie weit verbreitet sind antisemitische Einstellungen in Deutschland wirklich?

Unter anderem die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung versucht das herauszufinden. Dafür werden alle zwei Jahre repräsentative Umfragen durchgeführt, die die Einstellung der Menschen zu rechtsextremen, menschenverachtenden und antisemitischen Aussagen abfragen.

In der Studie werden unterschiedliche Formen des Antisemitismus und verschiedene antisemitische Einstellungen abgefragt. Das wird gemacht, da es heutzutage ein Tabu ist, offen antisemitische Aussagen zu äußern oder diesen zuzustimmen. Das heißt aber nicht, dass Menschen in Deutschland nicht trotzdem antisemitische Vorurteile und Einstellungen haben. Diese Einstellungen werden jedoch über Umwege kommuniziert, wie zum Beispiel beim israelbezogenen Antisemitismus oder bei Äußerungen, in denen Juden_Jüdinnen nicht direkt benannt werden.

Der antisemitischen Aussage, dass Juden_Jüdinnen in Deutschland zu viel Einfluss hätten, liegt unter anderem die Verschwörungserzählung der jüdischen Weltverschwörung zugrunde. Dieser Aussage stimmt ungefähr jede zwölfte Person zu. Das sind ungefähr 6,6 Millionen Menschen!

Ungefähr jede dreizehnte Person stimmt der antisemitischen Aussage zu, dass Juden_Jüdinnen durch ihr Verhalten an ihren Verfolgungen mitschuldig seien. Dieser Aussage liegt das Prinzip der Täter-Opfer-Umkehr zugrunde. Das ist der Versuch, die Verantwortung für die Verbrechen der eigenen Vorfahren auf die Opfer zu schieben.

Jede vierte bis fünfte Person ist der Meinung, dass Juden_Jüdinnen heute versuchen würden, aus der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und des Holocaust ihren Vorteil zu ziehen.

Noch mehr Personen stimmen antisemitischen Aussagen zu, wenn diese sich gegen den Staat Israel richten: Jede dritte bis vierte Person in Deutschland kann verstehen, dass man aufgrund der Politik Israels etwas gegen Juden_Jüdinnen hat. Genauso viele sind der Meinung, dass das, was der Staat Israel heute mit Palästinenser_innen macht, auch nichts anderes sei als was die Nazis mit Juden_Jüdinnen gemacht haben. Der Staat Israel steht hier als Synonym für Juden_Jüdinnen. Es geht bei beiden Aussagen nicht um eine sachliche Kritik am Regierungshandeln des Staates Israel. Stattdessen werden antisemitische Bilder und Stereotype auf den Staat Israel übertragen. So werden antisemitische Vorurteile verbreitet, ohne direkt von Juden_Jüdinnen reden zu müssen.

Das zeigt, wie weit verbreitet antisemitische Einstellungen in Deutschland sind. Antisemitismus ist nach 1945 nicht plötzlich verschwunden, auch wenn manche Menschen das gerne behaupten. Und in den letzten Jahren tritt Antisemitismus wieder offener in Erscheinung – gerade auch im Internet und den sozialen Medien. Das hat zu einem Anstieg der Straf- und Gewalttaten gegen Juden_Jüdinnen geführt.

Damit wird auch deutlich, wie gefährlich antisemitische Einstellungen sind. Denn antisemitische Einstellungen gehen auch mit der Zustimmung zu Gewalt und Gewaltbereitschaft einher. Antisemitische Einstellungen haben direkte Auswirkungen auf Juden_Jüdinnen: Beschimpfungen und Beleidigungen im Alltag und in der Schule, antisemitische Schmierereien, Straf- und Gewalttaten gegen Juden_Jüdinnen und jüdische Einrichtungen.

Das führt bei vielen Juden_Jüdinnen dazu, dass sie Angst haben, sich im Alltag offen als Juden_Jüdinnen zu zeigen, da sie dann Angriffen und Beleidigungen ausgesetzt sind.

Wenn du mitbekommst, dass sich eine Person antisemitisch äußert – ob in der Schule, im Sportverein oder im Freundeskreis – dann mach klar, dass du das nicht okay findest und nicht akzeptierst! Zeig Zivilcourage, indem du Personen, die von Antisemitismus betroffen sind, unterstützt und verteidigst!

Quellenangabe:

Aktuelle Mitte-Studie: Andreas Zick/ Beate Küpper/ Wilhelm Berghan – Verlorene Mitte, feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19

Beispiele