»Du Jude!« als Schimpfwort
Das Wort »Jude« als Schimpfwort ist wieder öfter auf deutschen Schulhöfen zu hören. Die Absicht ist ganz klar, die angesprochene Person zu verletzen und auszugrenzen. »Jude« ist an sich aber erst einmal keine Beleidigung. Vielmehr bezeichnen die Wörter »Jude« und »Jüdin« Menschen mit jüdischer Identität und/oder jüdischen Glaubens. Wie passt das zusammen?
Wo kommt es her, wann ist es entstanden und warum?
Jude als Negativwort gibt es bereits seit dem Mittelalter. Immer wieder wird versucht, das eigentlich wertneutrale Wort als Beleidigung umzudeuten. In den letzten Jahren zeichnen sich zwei gegenläufige Tendenzen im Umgang mit dem Wort Jude in der Alltagssprache ab. Auf der einen Seite vermeiden viele Menschen beim Sprechen das Wort Jude, indem sie es mit anderen Worten umschreiben. Formulierungen wie »Menschen jüdischen Glaubens« oder »israelitische Kultusgemeinde« sind dabei häufige Umschreibungen. Auf diese Weise wird das Wort sehr wenig in seinem eigentlichen Sinne gebraucht und tabuisiert. Auf der anderen Seite wird das Tabu über das Wort Jude jedoch häufig und bewusst dann gebrochen, wenn Jude als Schimpfwort benutzt wird.
Was ist daran antisemitisch?
Eine Person, die ihr Gegenüber mit »Du Jude!« beschimpft, geht davon aus, dass die Bezeichnung als beleidigend empfunden wird. Dabei ist es egal, ob die angesprochene Person tatsächlich Jude_Jüdin ist oder nicht. Vielmehr bringt der_die Sprecher_in die eigene Verachtung gegenüber Juden_Jüdinnen zum Ausdruck. Es geht also um die beabsichtigte Abwertung der angesprochenen Person.
Antisemitisch ist die Verwendung als Schimpfwort, weil »Jude« damit in einen negativen Sinnzusammenhang gestellt wird. Verbunden werden damit verschiedenste negative Eigenschaften wie Raffgier, Hinterhältigkeit und dergleichen. Dies wird in Aussprüchen wie »Mach mal keine Judenaktion.« »Sei mal kein Jude.«, »Was willst du hier, du Jude?« noch deutlicher. Das bedeutet, indem das Wort immer wieder abwertend verwendet wird, findet eine Umdeutung des Wortes statt.
Der Ausspruch «Du Jude!« führt zudem zu einer Abgrenzung der sprechenden Person gegen Juden_Jüdinnen. Ihnen wird eine Andersartigkeit unterstellt, wodurch sie ausgegrenzt werden. Zugleich wird deutlich, dass der oder die Sprecher_in davon ausgeht, dass alle Juden gleich sind. Juden_Jüdinnen werden zu einer einheitlichen Gruppe (mit negativen Charaktereigenschaften) zusammengefasst. Selbst wenn die negative Verknüpfung nicht ausgesprochen wird, schwingen durch die Umdeutung des Worts Jude zu einer Beschimpfung antisemitische Stereotype mit. Das Ergebnis ist letztendlich ein antisemitischer Wortgebrauch des Wortes Jude, welches zum Schimpfwort wird. Der sonst tabuisierte Hass gegen Juden_Jüdinnen wird in den oben genannten Aussagen als harmlose Bezeichnung verpackt und oft als Witz gerechtfertigt. So kann Antisemitismus sozial akzeptiert geäußert werden.
Juden_Jüdinnen werden durch diese Aussagen ausgeschlossen, stigmatisiert und abgewertet. Dadurch wird es ihnen erschwert, ihre jüdische Identität unbeschwert auszuleben. Jude als Beleidigung verharmlost Antisemitismus und antisemitische Stereotype.