Antisemitismus
WTF?

Pest, Pogrome, Pandemie – Der Mythos der Brunnenvergiftung

Pest, Pogrome, Pandemie – Der Mythos der Brunnenvergiftung

Die Erzählung, dass bestimmte Personen Brunnen oder Trinkwasser vergiften, gibt es seit vielen Jahrhunderten. Manchmal wird auch behauptet, dass Krankheiten und ganze Pandemien gezielt von einer verschwörerisch handelnden Gruppe verursacht werden, um der Menschheit zu schaden.

Wo kommt es her, wann ist es entstanden und warum?

Entstanden ist dieses Motiv im Mittelalter. Damals wurde Jüdinnen_Juden unterstellt, die Pest im Jahr 1348 durch Vergiftung des Wassers ausgelöst zu haben. Schon im Jahr 1161 wurden jüdische Ärzte verdächtigt, Christ_innen zu vergiften. Die Vorstellung einer Verschwörung der Jüdinnen_Juden gegen die Christ_innen war damals weitverbreitet.

Konkret begann die Erzählung der Brunnenvergiftung im Jahr 1321 in Frankreich: Zunächst hieß es, Leprakrankte vergiften Brunnen und verbreiten so die Krankheit. Nach kurzer Zeit wurden auch Jüdinnen_Juden beschuldigt. Es wurde sogar ein gefälschter Brief zitiert, in dem eine jüdische Person betont, dass angeblich Jüdinnen_Juden Brunnen, Quellen und Flüsse vergiftet haben, um Christ_innen auszurotten.

Was daran ist antisemitisch?

Diese Erzählung ist antisemitisch, da sie eine gewaltvolle Feindbildkonstruktion von Jüdinnen_Juden erzeugt. Jüdinnen_Juden werden für alles Böse verantwortlich gemacht und als eine geheim handelnde feindliche Gruppe konstruiert, die anderen Schaden zufügen und Rache üben will – bis hin zum Mord. So werden Ängste und Bedrohungsszenarien geschürt, um Antisemitismus zu rechtfertigen.

Ein solches Muster, konkrete »Verursacher« zu nennen – einzelne Personen oder vermeintliche Gruppen – ist ein Grundelement von Verschwörungserzählungen.

Wie hat sich das Motiv weiterentwickelt?

Auch die Nationalsozialist_innen haben dieses Motiv genutzt und Jüdinnen_Juden als die Verursacher_innen aller Konflikte imaginiert, die die Vernichtung der »Deutschen« beabsichtigten. So wurden Bedrohungsängste geschürt, um die Vernichtung an Jüdinnen_Juden während der Shoah zu legitimieren. Auch nach der Shoah bestand der antisemitische Mythos fort, dass Jüdinnen_Juden sich durch Brunnenvergiftung an der deutschen Bevölkerung rächen würden.

Wo taucht das heute auf?

Das Narrativ der »Brunnenvergiftung« taucht auch heute immer wieder im Zuge von Pandemien auf. So werden Jüdinnen_Juden auch in der Corona-Pandemie bei den Querdenken Demonstrationen als Verursacher_innen der Krankheit bezeichnet.

Auch zeigt sich das Motiv im israelbezogenen Antisemitismus, wenn Israel vorgeworfen wird, das Trinkwasser der Palästinenser_innen zu vergiften, um sie zu töten.

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